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Ausgebrannte Bürokratie

Posted by on 27. November 2013

Es geht los. Am Samstagmorgen packen wir früh unsere Sachen in den G und fahren bei Wim los. Zuerst geht es durch das schon längst erwachte Addis Ababa. Der Verkehr ist bereits sehr wild und ich benötige etwas Zeit bis ich mich an das neue Auto gewöhnt habe. Ähnliche Verkehrsverhältnisse kenne ich bereits aus dem Iran, damit komme ich ganz gut zurecht. Mittlerweile hupe ich selber schon sehr häufig, wenn ich an anderen Autos vorbei fahre. Bei uns bedeutet Hupen ja meistens „He Du Trottel, wo hast du das Autofahren gelernt?“ oder „Sag mal, bist du eingeschlafen?“. Bei uns wird man dann auch gleich aggressiv oder man zuckt heftig zusammen. Hier wird die Hupe als Zeichen gegeben, dass man z.B. von links überholt. Oder von rechts. Weil der Vordermann durchaus ganz spontan ohne den Blinker zu setzen rüberzieht. Das ist mir schon ein paar Mal passiert. Rein theoretisch war es ja mein Fehler. Ich hatte ja nicht gehupt und mich bemerkbar gemacht. Bis jetzt ist aber noch nie was passiert. Und mittlerweile hupe ich auch fleißig. Mal schauen was passiert, wenn ich das in Deutschland beibehalte.

Nachdem wir Addis verlassen haben, durchqueren wir schönes, grünes äthiopisches Hochland. Es sind die gleichmäßig durchzogenen Landschaften, die wir schon aus dem Flugzeug beobachten konnten. Wir fahren Richtung Nazret und wollen über Awash und Samara in der Tiefebene nach Galafi zur Grenze Djiboutis. Der G schnurrt wie ein Kätzchen. Auch die anfänglich gedachte Problematik, dass der Thermostat nicht aufmacht, bestätigt sich nicht. Temperaturanzeige normal. Schlauch heiß. Bergab werden wir turboschnell und erreichen schon mal etwas mehr als 80 km/h. Durch das gemütliche Tempo sehen wir viel vom Land. Umso tiefer wir kommen, desto heißer wird es. Und mit jedem Kilometer, den wir nördlicher Richtung Djibouti fahren, fühle ich mich an die Temperaturen in Dubai erinnert. Der Rücken ist mittlerweile daran gewöhnt, dass er durchweg in Schweiß getränkt ist. Unseren ersten Abend verbringen wir an einer kleinen Total-Tankstelle in Gewane. Glücklicherweise können wir das Auto hinter dem Haus abstellen und das Dachzelt des G aufschlagen. Papa schläft im Wagen, ich auf dem Dach. Quasi wie in unserem eigenen Auto. Es könnte nicht besser sein. Als wir eine Kleinigkeit in dem zugehörigen „Restaurant“ zu abend essen, füllt sich langsam der Raum rund um den einzig vorhandenen Röhrenfernseher. Alle Menschen tragen die äthiopischen Nationalfarben und es wird mir schnell klar, dass ein Fußballspiel stattfinden muss. Äthiopien spielt in der WM-Qualifikation gegen Nigeria. Ich habe ähnliche Situationen schon bei der Weltmeisterschaft 1994 in Marsabit (Kenia) erlebt. Damals saßen ca. 150 Menschen vor einem einzigen Röhrenfernseher, um sich das Finale Brasilien vs Italien anzuschauen. Dieses Mal sind es natürlich nicht so viele Leute, aber die Stimmung ist gut. Die Menschen hier lieben den Fußball, wie in vielen Ländern Afrikas. In Äthiopien isst man traditionell Injera (das ist eine Art Fladenbrot aus Sauerteig) mit allerlei verschiedenen Zutaten, wie z.B. Fleisch und Gemüse. Das Fladenbrot liegt dabei auf einem großen runden Teller und die Zutaten direkt darauf. Gegessen wird natürlich mit den Händen. Häufig essen mehrere Menschen gemeinsam an einer Portion. Kurz vor Ende der ersten Halbzeit fällt das Programm aus. Der Strom ist zwar noch da, aber es kommt kein Bild mehr. Die Leute sind sauer und als auch die zweite Halbzeit nicht mehr auf der Mattscheibe erscheint, leert sich der Saal. Auch wir gehen zu Bett.

Als die Sonne am nächsten Morgen aufgeht, wird es gleich sehr heiß. Wir brechen zügig auf und fahren weiter nach Samara. Teilweise wandelt sich die Steppenlandschaft in eine karge Wüste. Die Bäume und Büsche werden rarer. Die ganze Strecke ist voller LKWs, die Strasse ist quasi die Hauptverbindung zwischen dem Hafen Djiboutis und der äthiopischen Hauptstadt Addis Ababa, da Äthiopien keinen Meerzugang besitzt und der djiboutische Hafen zum größten Teil für Äthiopien arbeitet. Es werden massig Container transportiert und immer wieder liegen rechts oder links an der Strasse zerbeulte Container oder sogar ausgebrannte Lastwagen. Die Strasse wird zunehmend schlechter. Teilweise stehen kaputte LKWs einfach mitten auf der Strasse, die Unfallstelle wird mit ein paar Steinen abgesichert, kein Fahrer mehr weit und breit, der Container im Graben oder noch auf der Ladefläche und der ganze Verkehr muss drumherum fahren. Manche Fahrer schlafen unter dem LKW, der mitten auf der Fahrbahn steht. Wahnsinn. Als wir Samara erreichen, suchen wir den halben Nachmittag nach einer günstigen Unterkunft. Duschen wäre mal wieder ganz gut, aber in dieser heißen Gegend wird Wasser zum Luxus. Als wir endlich eine Pension gefunden, den Preis verhandelt und schon das Zimmer bezogen haben, klopft es an der Türe. Der junge Pensionstyp ist nicht damit einverstanden, dass wir zu zweit das Zimmer beziehen. Er möchte mehr Geld. Das wird uns dann aber doch zu teuer. Und noch vor zehn Minuten ist ihm das noch nicht eingefallen. Ich halte ihn etwas hin, wir duschen ruckzuck den gröbsten Dreck runter und packen wieder unsere Sachen. Der Ort ist zu klein, um eine gute, günstige Alternative zu finden, also übernachten wir wieder im Auto.

Vor der Grenze zu Djibouti sehen wir viele Stellen, an denen salziges Wasser aus einem See in kleinen Parzellen angestaut wird. Hier wird Salz abgebaut. Nachdem das Wasser verdunstet ist, kann die Salzkruste in der sengenden Hitze zerschlagen und anschließend in Säcke verpackt werden. Ein harter, kräftezehrender Job. Wir erreichen Galafi und somit die Grenze. Ich übergebe dem äthiopischen Zollbeamten das Schreiben aus Addis. Da er sich mit dem Carnet de Passages nicht wirklich auskennt, helfe ich ihm weiter, wodurch er sofort sehr freundlich ist. Letztendlich klappt alles reibungslos. Ich kann mit dem Auto ausreisen. Stempel ins Carnet und zack – erledigt. Jetzt nur noch nach Djibouti einreisen. Sonst steht die Karre irgendwo zwischen den Grenzen im Niemandsland. Einen Kilometer weiter erscheint hinter einem Hügel die djiboutische Grenze. Der etwas heruntergekommene Zöllner wundert sich zwar, dass der Carnet-Inhaber nicht mit unseren Pässen übereinstimmt, als er aber gerade genauer nachfragen will, kommt irgendein Nörgler hereingestürmt und brüllt rum. Der Zöllner hat große Mühe mit dem Nörgler und lässt uns links liegen. Nebenbei stempelt er unsere Pässe und alles ist in Butter. Wir reisen nach Djibouti ein.

Die Strasse von Galafi nach Djibouti Stadt (Die Hauptstadt heißt wie das Land) ist wieder gesäumt von kaputten LKWs und zerbeulten Containern. Nun nehmen auch die Schlaglöcher deutlich zu und in manchen Löchern könnte man fast sein Auto verstecken. Naja, jedenfalls wäre der Schaden immens, wenn man zu schnell reinfahren oder eines übersehen würde. Kurz vor der Dämmerung erreichen wir den Vorort der Hauptstadt und parken bei ein paar Blechhütten. Wir essen etwas Injera in einer Truckerbude und als wir wieder am Auto sind taucht auch gleich die Gendarmerie auf. Es sei hier viel zu gefährlich. Wir sollen ein Hotel in der Stadt suchen. Nach kurzen Erklärungen (ich muss erst mal mein verstaubtes Französischwissen wieder herauskramen) rücken die Jungs dann aber doch wieder ab. Nach einer weiteren Kontrollfahrt passt scheinbar alles. Als wir schon im Bett liegen erscheinen sie aber ein drittes Mal und wollen, dass wir wenigstens auf dem Kasernengelände bei ihnen übernachten. Nun gut. Wir schlagen das Dachzelt wieder zusammen, folgen ihnen zur Kaserne und übernachten auf deren Gelände.

Am Folgetag lernen wir Ahmed kennen. Ich habe seine Nummer in Addis beim Holland House erfahren und ihn hier kontaktiert. Er arbeitet selbst beim Hafen und kennt alle zuständigen Büros und Behörden. Auch besorgt er uns ein günstiges Hotel sowie eine PrepaidCard fürs Handy. Jochen`s G-Klasse werden wir bei seinem Onkel auf einem bewachten Grundstück unterstellen können. Welch Glück ihn zu treffen! Die nächsten zwei Tage sind voller Rennerei und Bürokratie. Es stellt sich schnell heraus, dass sich mit dem Procedere ein Touristenauto aus dem Hafen zu holen hier keiner auskennt. Auch Ahmed nicht. Selbst der für uns zuständige Agent möchte den Job nicht machen. Auch nicht für gutes Geld. Doch Ahmed stürzt sich für uns in die Bürokratie. Er lässt dafür sogar seine normale Arbeit im Hafen liegen. Wieder einmal bin ich überwältigt von einer unglaublichen Hilfsbereitschaft. Als wir irgendwann beim obersten Zollchef im Büro landen, schaut er uns an, als ob wir von einem anderen Planeten kommen. Er kann nicht glauben, dass wir mit dem Auto durch Afrika wollen. Scheinbar sind über Djibouti noch nicht viele Overlander mit dem eigenen PKW nach Ostafrika eingereist. Sollte sich die Lage in Syrien, Lybien und Ägypten allerdings nicht ändern, könnte diese Route eine der wenigen Alternativen bleiben. Ich erzähle ihm ein wenig von der Reise, er ist beeindruckt und legt uns keine Steine in den Weg. Das Schiff ist mittlerweile im Hafen angekommen. Wir rennen durch unzählige Büros, sammeln Stempel, Unterschriften, Papiere. Nach knapp zwei Tagen haben wir fast alles zusammen. Dann ist Freitag. Freitag = Sonntag = Pause.

Am Samstag morgen brechen wir früh auf. Erst bringen wir Ahmeds Frau zur Arbeit. Sie arbeitet als französisch-arabische Dolmescherin bei einer Botschaft. Die zwei erwarten im kommenden Jahr ein Baby. Wir klären die letzten Details bei der Zollbehörde und fordern dann den Container an. Der Container muss mit einem LKW in einen „trockenen Hafen“ transportiert werden. Für uns ist dies „Quartier 4“, wir sind quasi im Transit nach Äthiopien. Dort sollen wir unser Auto zusammen mit einem Zollbeamten aus dem Container holen. Alles läuft gut – bis auf die Tatsache, dass Quartier 4 voll ist mit Schnarchnasen. Den ganzen Tag lang machen wir Druck. Wir fahren hin und rufen immer wieder an, doch es tut sich nichts. Abends, als es bereits dunkel wird, erhalten wir dann die Nachricht: Der Container ist angekommen, aber der Zoll möchte nach 17 Uhr nicht mehr arbeiten. Es wird also definitiv nichts mehr heute. Da wir bereits in freudiger Erwartung aus unserem Hotel ausgecheckt haben, brauchen wir eine weitere Unterkunft für die kommende Nacht. Ahmed bietet uns sein Zuhause an. Wir könnten doch bei ihm schlafen, meint er. Ich finde es wirklich krass. Er rennt seit Tagen mit uns von Behörde zu Behörde, lässt dafür seine Arbeit im Büro liegen und bietet uns zuletzt auch noch sein Zuhause an. Er ist ein unglaublich großherziger Mensch. Wir können nicht ablehnen, er hat es längst mit seiner Frau geklärt und sie freut sich schon auf unser Kommen. Wir holen seine Frau bei ihrer Schwester ab. Auf dem Heimweg nehmen wir gleich noch ihren Bruder und ihre Schwester mit und machen ein paar Einkäufe. Die Mädels wollen sich noch mit Henna bemalen lassen, danach geht’s einen Anzug aussuchen für die Hochzeit des Bruders. Ich muss dabei Tipps für die passende Krawatte und das Hemd abgeben. Später schauen wir bei Ahmed zu Hause noch gemeinsam Bilder aus Deutschland an. Vielleicht klappt es irgendwann zu einem Gegenbesuch. Das wäre schön.

Sonntags ist in Djibouti ein ganz gewöhnlicher Arbeitstag. Und tatsächlich klappt es heute auch mit dem Container. Wir öffnen zusammen mit dem Zollbeamten das Siegel und da steht er: Unser Landy! Frisch gewaschen, in Folie eingepackt. Ahmed freut sich genau so wie wir und fährt das Auto aus dem Container heraus. Wir montieren Dachzelt, Alukiste und Ersatzreifen und fahren zu seinem Onkel, wo wir zwischenzeitlich Jochen`s G Klasse untergestellt haben. Dort laden wir alles um, checken das Auto durch und verabschieden uns von Ahmed, der längst schon wieder arbeiten müsste. Aber es hat sich eine tolle Freundschaft entwickelt und da ist das Arbeiten einfach nicht so wichtig. Es gibt noch vieles in Djibouti zu sehen und ich hoffe, dass ich die Gelegenheit finde, nach Djibouti zurückzukehren.

Wir fahren zurück an die äthiopische Grenze Richtung Galafi. Es gibt wieder neue Unfälle auf der Straße. Ein Unfall ist besonders übel, da ein Omnibus mit einem Minibus zusammen gestoßen ist. Der Minibus (sicherlich überfüllt mit Menschen) hatte eine große Ladung langer Eisenstangen auf dem Dach transportiert, die in der Frontscheibe des Omnibusses eingeschlagen ist. Ich möchte nicht genauer wissen, was dabei passiert ist… An der Grenze geht alles glatt und gegen mittag sind wir zurück in Äthiopien. Wir fahren Richtung Lalibella durchs aethiopische Hochland. Lalibella ist bekannt für seine in Fels geschlagenen Kirchen, die unter König Lalibella im 12. Jahrhundert erbaut wurden. Auf dem Weg dahin nehmen wir eine Abkürzung und fahren 80 km übelste Offroadpiste. Es ist das erste Mal, dass der Landy so richtig ackern muss. Talauf, talab, quer über scharfkantige Steinfelder und durch viele Flussläufe. Dad und ich sind uns sicher, dass jeden Moment ein Reifen platt geht oder irgendein Teil davon fliegt. Doch die Kiste hält durch. Wir sind in Afrika angekommen. Mit unserem Landy. Und es scheint ihm zu gefallen.

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